Der Besuch in Sankt Petersburg vom 9. bis 24. September 2000

Priwet!

Zwei Wochen vor den Herbstferien 2000 fand der sechste Austausch mit der Goetheschule in Sankt Petersburg statt. Er wurde von Frau Scholle und Herrn Haverkamp geleitet.

Von Victoria Evers, Jahrgangsstufe 10

Der Austausch mit der Goetheschule in Sankt Petersburg vor den Herbstferien war bei einigen und auch bei mir wider Erwarten ein Erfolg. Zuerst hatte wir schon Angst; im Fernsehen und Radio hörte man nur von der Kriminalität, der hohen Arbeitslosigkeit und der daraus folgenden Armut, von politischen Unruhen und so weiter. Trotzdem schaffte es Frau Scholle, uns von dem Austausch zu überzeugen. Das Land hatte uns alle neugierig gemacht und der Aspekt, zwei Wochen zusätzliche Ferien zu haben, wich dem Gedanken an ein Abenteuer in einer vollkommen anderen Welt; mit anderen Vorstellungen vom täglichen Leben. Und das gab auch den Ausschlag, das ich letztendlich mitfuhr.

In Petersburg angekommen, gab es gleich den 1. Schock: Nur ein Koffer der ganzen Gruppe war angekommen wo der Rest blieb, war nicht klar. Nach einstündigem Papierkrieg (natürlich in russisch!!), sahen wir endlich unsere russischen Freunde wieder, von denen wir herzlich empfangen wurden. Nun ging’s (bei einigen mit öffentlichen Verkehrsmitteln) in die Gastfamilien.

Auf dem Weg in die Familien bekamen wir einen ersten Einblick auf das Stadtbild Sankt Petersburgs was uns alle ziemlich erschreckte: Plattenbau in Hülle und Fülle, für uns, an Ordnung gewöhnt, ein heilloses Durcheinander, von einem Punkt zum anderen kam man mit der Metro, Bus oder Straßenbahn; Fahrrad fährt dort niemand. In meiner Zeit in Sankt Petersburg zählte ich immerhin 42 (!!!!) Fahrräder.

Allerdings lernten wir schnell mit diesen total anderen Bedingungen zu leben. Es wurde normal, dass öffentliche Verkehrsmittel total überfüllt sind und aussehen, als ob sie gleich auseinander fallen.

Auf mich wartete in meinem russischen Zuhause schon das Mittagessen. Alle waren von Anfang an nett und freundlich, was das Fehlen der Gastgeschenke noch unangenehmer machte. Zum Glück bekamen wir unsere Koffer (schon) am Sonntagabend wieder. Im Laufe der zwei Wochen bekamen wir viel zu sehen: das Puschkin Museum, den Winterpalast Peter I. mit der staatlichen Eremitage, den Sommergarten, die Isaaks Kathedrale, die wir auch hinaufstiegen, und noch viele andere Sehenswürdigkeiten mehr.

Jeden Morgen trafen wir uns zur ersten Stunde um 8.30 Uhr im Schulcafé (das wie FAST alle russischen Gebäude NICHT beheizt wurde und somit eiskalt war) der Goetheschule zum Teepäusken mit Tee und Piroggen (= gefüllte, russische Teigtaschen ). Von dort aus gingen wir entweder mit unseren Gastgebern in den Unterricht oder traten die unzähligen Besichtigungstouren in/um Sankt Petersburg an, die wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestritten. Was ein überfüllter Bus/Straßenbahn ist, ist nun auch den weniger erfahrenen Buskindern klar: Ein Bus ist erst voll, wenn man weder ein- noch aussteigen kann. Dieser Satz bewahrheitete sich immer wieder. Solch ein Gedränge ist natürlich optimal für Diebe, was ich am eigenen Leib erfuhr; meine Fotoapparat wurde mir auf einer dieser besagten Busfahrten gestohlen.

Wenn wir dann nach den anstrengenden Busfahrten, bei denen wir nicht reden durften; (Ein Bus ist ein Ort der Ruhe!!), am Ziel angekommen waren, entschädigten uns die prächtigen Kirchen, Paläste, Plätze, Parks, Denkmäler etc. für die manchmal wirklich nervenzerrenden Fahrten mit Bus und Straßenbahn. Nicht nur die Enge machte uns zu schaffen, schlimm waren auch viele Petersburger, die betrunken die Stufen in die Bahnen hoch stolperten und uns anrempelten, beschimpften, böse anguckten, so dass wir manchmal wirklich das Gefühl hatten, absolut fehl am Platz zu sein. Auch dass wir morgens schon viele Petersburger mit einer Flasche Bier sahen, schockte uns.

Natürlich bot uns auch außerhalb der Schulzeit die Schule ein (manchmal zu) reichhaltiges Programm: Music-Hall, Philharmonie und so weiter. Trotz des umfangreichen Programms und der langen Schultage, stellten wir eigenhändig etwas auf die Beine: ein paarmal trafen nur wir Deutschen uns, um in ein Café zu gehen (wo wir immer unheimlich fröhlich wieder kamen..), oder wir trafen uns zum Einkaufen auf Ladoschskaja, einer Art Markt, wo hauptsächlich die Petersburger einkaufen gehen. Diese Aktivitäten, die für uns in Rußland leider ein wenig zu kurz gekommen sind, erstaunten unsere Natur und Familien bezogenen Gastgeber, die in ihrer Freizeit am liebsten mit Freunden Tee trinken oder einfach nur im Wald spazieren gehen. Darüber konnten wir dann wieder mit dem Kopf schütteln.

Der Abschlussabend wird bei uns allen unvergeßlich bleiben: Wir hatten ein buntes Programm vorbereite: außergewöhnliche Gedichte, eine Szene aus einem russischen Stück, ein russisches Märchen sowie einige russische Lieder, die wir zum Teil erst in Rußland gelernt hatten. Die erst in Rußland gelernten Lieder sangen wir vier, fünf Mal; trotzdem hatten wir alle Spaß und sorgten für ausgelassene Stimmung. Herr Haverkamp (als russischer Opa) mit einer Plastiktüte um den Hals als Rauschebart und Frau Scholle als Babuschka mit Kopftuch, werden wir wohl nicht mehr vergessen.

Alles in allem waren wir alle total zufrieden und teilweise (positiv!!) überrascht. Obwohl es ab und zu zwischen Gästen und Gastgebern zu Reibereien kam, war dieser Austausch mit Sankt Petersburg ein tolles, unvergeßliches Erlebnis wenn wir alle auch froh waren, nach 14-Tagen wieder zu Hause zu sein und nicht mehr ständig mit Tee und Essen vollgestopft zu werden. ;o) Den meisten hat es im Endeffekt doch so gut gefallen, dass wir gern wiederkommen würden – der kleinere Teil behält wenigstens die vielen neuen Eindrücke.

Doswiedanja!

 

Stand: 15.11.2000
Artur Weinhold

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